Stadt im Gespräch – ein Veranstaltungsformat mit großem Zukunftspotenzial startet durch
Über die aktuellsten gesellschaftlich relevanten Themen informiert zu sein, sich seine eigene fundierte Meinung zu den Zukunftsthemen unserer Zeit zu bilden und vielleicht sogar die Zukunft Jenas aktiv mitgestalten? Wer sich schon mal mit solchen Gedanken befasst haben sollte, bekam am 24.10.2023 im großen Vortragsraum der VHS Jena die einmalige Gelegenheit dazu! In einer interaktiven Podiumsdiskussionsrunde der Formatreihe „Stadt im Gespräch“ mit dem Titel „Wohin mit den ganzen Autos?“ stellten sich die an der FH Erfurt tätige Mobilitätsforscherin Frau Dr. Claudia Hille, Michael Margull, Fachdienstleiter Mobilität bei der Stadtverwaltung Jena sowie Guntram Wothly vom Stadtrat Jena und vom Stadtentwicklungsausschuss den Fragen und Anregungen der Bürgerinnen und Bürger. Die Themen Mobilität und insbesondere Verkehrswende bewegen die Menschen wohl wie kaum ein anderes. Allein die hohe Anzahl an interessierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich diese Veranstaltung nicht entgehen lassen wollten, beweist eindrucksvoll: Das Format zieht und bringt Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen!
Im ersten Teil der Veranstaltung ging es um die Frage, wie sich die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion eine nachhaltige Verkehrswende für Jena vorstellen. Während Frau Dr. Hille zunächst die absolute Notwendigkeit zum ambitionierten Handeln, inkl. Verkehrswende, noch einmal eindrücklich unterstrich (bei einer Erderwärmung von drei Grad Celsius könnte bis zu einem Drittel der Weltbevölkerung zu Klimaflüchtlingen werden!!), nannte sie die aus ihrer Sicht wichtigsten Säulen für das Gelingen der Verkehrswende, wozu u. a. ein Umweltverbund, eine Stadt der kurzen Wege (man könnte dann das Auto zu alltäglichen Erledigungen öfters auch mal stehen lassen) sowie eine Priorisierung des ÖPNV gegenüber dem motorisierten Individualverkehr gehören. Sichere Rad- und Fußwege sowie Erholungsflächen für alle – damit wäre wahrlich ein großer Schritt in die richtige Richtung getan!
Auch Herr Wothly stimmte der Aussage zu, dass der Ausbau des ÖPNV stärker als bisher geschehen forciert werden müsse. Strittig war allerdings die Frage, inwiefern das bislang von der Stadt als Entscheidungshilfe genutzte Prognosemodell bis 2035 zur zukünftigen Entwicklung des Modal split – also welche Verkehrsarten welchen Anteil am Mobilitätsmix in Jena ausmachen – als verlässlicher Indikator für die tatsächliche zukünftige Entwicklung angesehen werden kann – ein Diskussionspunkt, der auch bei der anschließenden Fragerunde mit den Bürgerinnen und Bürgern deutlich angesprochen wurde. Während Herr Margull hervorhob, dass das Modell nur die gegenwärtigen Grundannahmen zur künftigen Verkehrsentwicklung widerspiegle und jederzeit individuell an die schrittweise umzusetzenden Beschlüsse aus dem Klimaaktionsplan (KAP) angepasst werden könne, wünschten sich andere Teilnehmende der Veranstaltung eine proaktivere, energischere Rolle der Stadt bei der Entscheidung, welche Verkehrsarten in den kommenden Jahren welche Rolle spielen sollen – so auch Herr Zillmann von der Bürgerinitiative gegen die Osttangente. Ebenso kontrovers diskutiert wurde die Frage, wie konkret denn für Jena die alternativen zum Auto aussehen könnten und wie realistisch deren Umsetzung aus Sicht der Stadt ist.
Auch über das wohl derzeit am heftigsten debattierte Verkehrsprojekt Jenas, die sog. Osttangente – ein Projekt, welches den Anschluss des stetig wachsenden Ostens der Stadt an das Verkehrsnetz gewährleisten sowie das eigentliche Zentrum der Stadt verkehrstechnisch entlasten soll – wurde eingegangen. Herr Wothly nannte zunächst die Proargumente und betonte, dass auch als Kompensation zum Plus an Flächenverbrauch mehr Stadtgrün erhalten bzw. neu angelegt werden solle. Allerdings wandten einige Jenaer Bürgerinnen und Bürger ihre Einwände gegen das Projekt, z.B. Gefahren für die Gesundheit betreffend durch das erhöhte Verkehrsaufkommen oder ein weiterer Zuwachs an Flächenversiegelung, ein. Besonders eine Frage trieb die Menschen um: Steht die Osttangente als Lösungsansatz für die Gewährleistung eines auch in Zukunft leistungsfähigen Verkehrssystems wirklich so alternativ los dar oder könnte man z.B. zumindest teilweise auch durch den verstärkten Ausbau des Radverkehrssystems Abhilfe schaffen?
Abschließend wurden alle Teilnehmenden der Podiumsdiskussion um ein Fazit zur aktuellen Verkehrssituation der Stadt Jena gebeten, die insgesamt, auch von Frau Dr. Hille, als positiv bewertet wurde. Es bleibt aber noch sehr viel Luft nach oben – sowohl Frau Dr. Hille als auch Herr Wothly mahnten eine konsequente Umsetzung aller klimapolitisch relevanten sowie sinnvollen Maßnahmen an.
Insgesamt wurde auf Grundlage der Diskussion klar, dass eine pauschale Einschätzung, wie die zukünftige Verkehrsentwicklung Jenas ablaufen werde, nicht ohne Weiteres und ohne bestimmte Grundannahmen zu machen getroffen werden kann. Nicht auf alles konnte an diesem Abend eine Antwort gefunden werden, aber die Veranstaltung „Stadt im Gespräch“ hat definitiv Zukunftspotenzial und wird hoffentlich noch lange fortgesetzt werden. Die Möglichkeit, direkt mit Entscheidungsträgern und Experten ins Gespräch zu kommen und ihnen Fragen zu stellen ist sicherlich eine der unbestreitbaren Vorteile des Formats. Es vermittelt einen direkten Einblick in die Kommunalpolitik und bietet den Entscheidungsträgern der Stadt die Möglichkeit, ihre Ansichten detaillierter als sonst möglich darzustellen und zu begründen. Dieses Format verhilft der Kommunalpolitik zu mehr Transparenz – und wer weiß, führt vielleicht bei dem einen oder anderen Teilnehmenden gar zu einem Umdenken??
Die nächste Veranstaltung aus der Reihe „Stadt im Gespräch“ findet am 27.11.2023, ebenfalls im großen Vortragsraum der VHS mit dem Titel „XY“ statt. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die nächste Diskussion zu diesem Thema gestalten wird! Wie immer sind alle Interessierten herzlich eingeladen, auch dieser Veranstaltung beizuwohnen und ihre Fragen zu stellen.